Das Ämmale verteilt gerade genüsslich die Butterbrotreste auf der Couch, während das Eiliensche versucht, mir das Plastikfieberthermometer in den Bauchnabel zu rammen.
Egal. Ich schreibe. Zumindest diesen einen Satz, bevor er sich für immer verabschiedet.
Das Eiliensche zieht „St.-Martin-ritt-durch-Schnee-und-Wind“-singend und auf einem der längst verschollen geglaubten Stäbe aus dem Gitterbett thronend ihre immer enger werdenden Bahnen um den Esstisch. Als Umhang dient ihr einer meiner guten Microfleecestoffe, aus denen ich eigentlich Kuschelpullis für die lieben Kleinen fertigen wollte. Aber zum Nähen komme ich in diesem Leben sowieso nicht mehr und mit so einem Requisit wirkt die St.-Martins-Vorführung gleich noch authentischer. Nachdem das Ämmale dem wallenden Tuch in die Quere gekommen ist und sich unfreiwillig von dessen wärmenden Eigenschaften überzeugen konnte, hat sie sich unter den Tisch geflüchtet, um nun mein Bein als Aufstehhilfe zu benutzen und mir vorwurfsvoll ins Knie zu beissen.
Egal. Ich schreibe. Zumindest diese eine Zeile, die mir schon seit Stunden im Kopf herumspukt.
Im Bad, im Schlafzimmer, auf der Treppe und im Keller türmt sich die Wäsche. In der Spüle, auf dem Herd und der Arbeitsplatte das Geschirr. Wir haben nichts anzuziehen und keine Teller, von denen wir essen können.
Egal. Ich schreibe. Zumindest dieses eine Wort, zu dem ich nur noch den richtigen Kontext finden muss.
Später am Abend. Die Kinder sind endlich im Bett. Ruhe. Der Laptop ruht auf meinen Oberschenkeln, die Finger schweben über der Tatstatur.
Egal. Ich schreibe nicht. Meine Augenlider sind schwer wie Blei und pfeiffen auf die Kommandos aus der Hirnzentrale.
Ihr seht – ich bin dran am zweiten Kapitel. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, schaffe ich pro Woche eine halbe Seite. Sofern ich genügend Absätze einbaue.
Dennoch habe ich meinen – in Anbetracht der geschilderten Umstände – nahezu absurd erscheinenden Plan, jede Woche ein Kapitel online zu stellen, noch nicht ad acta gelegt.
Heute Mittag in einem überfüllten Aufzug irgendwo in München: Ein sonnenverbranntes Gesicht, aus dem uns verschmitzt zwei aquamarinblaue Augen entgegenblitzen. So klar und erfrischend wie der Eisack, schießt es mir unvermittelt durch den dröhnenden Schädel. Nicht verwunderlich. Wandelt doch ein Teil meines Geistes gerade in den Dolomiten, die einen zentralen Schauplatz meiner Geschichte bilden. Doch als dieser Mann, der da so bewundernswert gelassen inmitten des Gewusels steht, den Mund aufmacht und uns freundlich anspricht, ist es mir unmöglich, mich auf den Inhalt seiner Worte zu konzentrieren. Jenes melodische, samtig-rauchige Timbre ist mir wohlvertraut. „Sind Sie Südtiroler?“, frage ich ihn mit einer für mich atypischen, fast unhöflichen Direktheit. „Ja.“ Er lacht. Ein wenig überrascht, aber auch erfreut.
Das ist ein Zeichen.
Nichtsahnend hat mir dieser angenehme Zeitgenosse aus meiner zweiten Heimat soeben einen ungeheuren Motivationsschub verpasst.
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