Sie knarzt, sie ist alt und sie wird mit jeder Besteigung länger und steiler. Ein unscheinbarer Bestandteil unseres Hauses, dessen Folterqualitäten ich lange massiv unterschätzt hatte. Bis zu dem Zeitpunkt, da ich zum ersten Mal hochschwanger war und genauso gut am Fuß des Mount Everest hätte stehen können . Diese Treppe habe ich schon auf vielerlei Arten bezwungen. Laufend, springend, humpelnd und kriechend. Jetzt, wo ich krank bin, was bei mir inzwischen schon beinahe der Normalzustand ist, überlege ich ernsthaft, ob wir die Schlafquartiere nicht ins Erdgeschoss verlegen sollten. Ich weiß ehrlich nicht, wie oft ich in den vergangenen achtundvierzig Stunden kurz vor einem Kreislaufkollaps stand.
Das Ämmale bekommt sechs Zähne auf einmal und am Eiliensche ist die Erkältungswelle offensichtlich doch nicht ganz spurlos vorbeigegangen. Heute Nacht wurde sie von solch heftigen Hustenattacken gequält, dass die letzten beiden Mahlzeiten spontan den Rückwärtsgang einlegten.
Ich schwächelte derart, dass ich es nicht einmal schaffte, das Laken ordentlich um die Matratze zu spannen. M. eilte zu Hilfe und damit war auch das Ämmale endgültig wach.
Im Schlafsack saß unser Fast-Noch-Baby mit glühenden Backen und leuchtenden Augen auf dem Kuschelteppich im Zimmer seiner Schwester und schaute mit ihr zusammen ein Bilderbuch an, während die übernächtigten Eltern ächzend und mit Schweißfilm auf der Stirn, aber in vollendeter Eintracht, Erbrochenes beseitigten und das Bett neu bezogen. Ein Idyll, an das ich mich ewig erinnern werde. Und das ist nicht ironisch gemeint.
Als ich das Eiliensche anschließend in den Schlaf begleitete und ihre kleine, weiche Hand in meiner hielt, dachte ich, dass meine Große mit ihren drei Jahren doch eigentlich noch sehr klein und schutzbedürftig ist. Immer, wenn mich die Liebe zu meinen Kindern mit solcher Wucht überrollt, folgt leider eine nicht minder beachtliche Angstwelle direkt hinterher. Nicht alle Probleme lassen sich mit einer frischen Garnitur Frozen-Bettwäsche und einer streichelnden Hand beheben.
Gerade an diesem heutigen Tag, der geprägt ist von den bestürzenden Ereignissen im Nachbarland, nagt die Sorge beharrlich am Mutterherz.
Auch schokobraune Rehaugen und dunkelblonde Engelslocken können mit abgebrühter Raffinesse einher gehen, insbesondere, wenn es um ungeliebte Tätigkeiten und Vermeidungsstrategien geht.
„Du kannst Dornröschen (zum dritten Mal innerhalb von fünf Tagen) anschauen, wenn Du die DVD findest. Die hast Du verschlampt.“
Das Eiliensche nickt ernst und verständig. Das personifizierte Pflichtbewusstsein.
Zwei Sekunden später – Töchterlein wähnt mich außer Hörweite: „Papa?! Du musst Dornröschen suchen.“
Wenn es ums Delegieren geht, kann sie mir durchaus zum Vorbild gereichen.
Was gibt es sonst noch an aktuellen Banalitäten aus dem Hause Federfarbenfee?
Mit Unterbrechungen lebe ich seit über dreissig Jahren hier und erst jetzt habe ich herausgefunden, dass ich die Schmutzwäsche vom ersten Stock direkt in den Keller hinunterwerfen kann. Zwischen den Stufen sind keine Verbindungsplatten. Tückisch, aber in diesem Fall auch praktisch. Damit hat die Treppenhorrorstory doch noch ein Happy End. Vorerst.
Playmobilzubehör: Sie sind für das Ämmale ein gefundenes Fressen – im wahrsten Wortsinne. Morgen wird sie vierzehn Monate und ein Ende der oralen Phase ist noch nicht in Sicht. Verständlicherweise hat das Eiliensche aber inzwischen keine Lust mehr, mit einem Puppenhaus zu spielen, dem aus Sicherheitsgründen die Türen sowie die komplette Einrichtung fehlen. Das Ämmale hat uns eindrucksvoll bewiesen, dass auch augenscheinlich kindersichere, da größere Objekte rasend schnell in mikroskopisch kleine Einzelteile zerlegt werden können.
Das Zimmer des Eiliensche befindet sich im ersten Stock. Dort hält sie sich aber nur zum Schlafen auf. Grundsätzlich will sie ausschließlich in meiner direkten Umgebung spielen. Diese befindet sich aber automatisch im Einzugsbereich des alles verschlingenden Ämmale. Was also soll ich machen? Ich kann meiner Zweitgeborenen ja nicht alle zwei Sekunden eine Miniaturtasse oder eine halbe Playmobilschrankwand aus dem Mund puhlen.
So, Schluß. Das Eiliensche klingt, als hätte es einen Alptraum. Wahrscheinlich träumt sie davon, wie das Ämmale sich durch ihre heißgeliebte Playmobil-Kita frisst.
Treppe, ich komme.
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