Von jung und angejahrt in Wort und Bild

Tagesnotizen #20: Mädchen-Winterkleid für Ungeduldige und Nähunbegabte in unter 1h, freche Feen u.a.

Professionellen Schneiderinnen sei dringend vom Studium dieses Blogposts abgeraten. Hochgerollte Zehennägel sind garantiert. Wenn man mal sachlich meine Kernkompetenzen betrachtet, kreisen meine Nähqualitäten auf einer ganz anderen Umlaufbahn – jenseits von Gut und Böse. Meine erste Vier überhaupt habe ich im Handarbeiten bekommen. Damals sollte ich einen Turnbeutel nähen. Der wilde Zickzackkurs meiner Naht beeindruckte meine Lehrerin durchaus. Aber nicht unbedingt so, wie ich es erwartet hätte. Vorsichtig ausgedrückt.

Doch nun, mehr als 30 Jahre später, habe ich zwei Töchter, die Kleider über alle Maßen lieben und sich strikt weigern, in Jeans oder andere Hosen zu schlüpfen. Meist sogar erfolgreich. Wenn auch zu meinem Bedauern. Strapazierfähige und warme Kleider sind rar. Und teuer. Wenn sie dann auch noch die Kriterien „lila“ und „prinzessinnenhaft-verspielt“ erfüllen sollen, sieht es mau aus.

Als ich das Eiliensche mit einem wallenden Fleece-Umhang, den sie aus meiner Stoffrestekiste entwendet hat, herumlaufen sehe, kommt mir eine Idee. Ich nehme ihr Lieblingskleid, das in meinen Laienaugen einen relativ unspektakulären und einfachen Schnitt aufweist und klatsche es auf einen großen Fetzen Malerfolie. Dann pause ich einfach die Umrisse ab und übertrage die improvisierte Vorlage mit großzügig bemessener Nahtzugabe auf den Fleece in Eiliensches Lieblingsfarbe. Zwar verfügt dieser noch über eine zweite Seite in einem weniger ansehnlichen Grün, aber das soll das Eiliensche nicht stören.  Sieht man ja nachher nicht.

vorlage_kleidschritt1_schnittabnehmen zuschnitt_kleid

Ich weiß, das Ganze sieht reichlich windschief aus. Zu meiner Entschuldigung kann ich anbringen, dass das Ämmale es fortwährend darauf anlegte, mein Vorhaben zu torpedieren. Unter diesen erschwerten Arbeitsbedingungen ist die Zeitangabe von einer Stunde für das gesamte Kleid übrigens auch nur eine grobe Richtlinie.

Jedenfalls ist es völlig schnurz, dass die Umrisse so verwackelt sind. Das lässt sich nachher wunderbar und ebenfalls pi-mal-Daumen mit den Säumen ausgleichen. Merke: Ich fertige hier ein Kinderkleid und kein maßgeschneidertes Businesskostüm.

Nachdem ich dann Vorder- und Rückteil in einem Rutsch ausgeschnitten habe – den Stoff habe ich doppelt gelegt, säume ich alles bis auf die Seitenkanten, die später zum Kleid zusammengenäht werden. Das Gute am Fleece ist, dass er nicht vorher versäubert werden muss. Kommt mir gerade recht.

Auf die Seitentaschen, die ich beim Vorderteil mit einarbeite,  kann man auch getrost verzichten. Mir geht es hierbei nicht unbedingt um Stauraum, wobei es schon praktisch ist, einen Platz für Winter-Pflichtaccessoires wie Taschentücher zu haben. Nein, ich will für das modebewusste Kind einen hübschen Kontrast und eine optische Taillierung. Da das Eiliensche auch Rüschen wünscht, wähle ich für die Pseudotaschen den gleichen Stoff wie für den Volant, der ebenfalls völlig optional ist. Das Kleid ist auch ohne diesen ganzen Schnickschnack als solches zu erkennen.  Die Taschen schneide ich extra großzügig und jeweils zweimal zu. Links auf links und anschließend verstürzen kommt besser bei so einem dünnen Stoff, der ja mit dem dickeren Fleece mithalten muss. Die Stoffstreifen für den Volant habe ich ungefähr anderthalb mal so lang gewählt wie die unteren Kante des Vorder- (oder Rück)teils. Aber auch das ist Geschmackssache. Je länger, desto rüschiger. Große Stichbreite, keine Fadenspannung und zwei Nähte. An den Enden ziehen und fertig sind die Traumrüschen. Seriösere Anleitungen zur Fertigung von Volants kursieren zu Hauf im Internet.

gesaeumt_volant_taschen

Auf dem Foto oben fehlt noch der Volant für die Rückseite. Ist der ebenfalls angenäht, werden die Seitenkanten bis zu den Ärmelausschnitten links auf links zusammengenäht. Ob man an den Trägern echte Knöpfe anbringt oder Kam Snaps, ist jedem selbst überlassen. Ich bin zu faul für Knopflöcher und entscheide mich für die praktischen Druckknöpfe, die einfach via Zange in den Stoff gepresst werden und dabei wunderbar halten.

Das fertige Kleidchen sieht dann so aus:

fertiges_kleid

fertiges_kleid_angezogen

Dem Eiliensche gefällt`s. Das ist die Hauptsache.

Apropos Eiliensche: Feen sind noch immer ihr liebstes Motiv, wenn es um`s Zeichnen geht. Doch inzwischen sind die Feen nicht mehr nur lieb, sondern bisweilen recht aufmüpfig. Hier hängt die eine von der Decke und beide Grazien blecken lässig ihre Zungen. Die Gelbe kann sogar mit Hasenohren aufwarten:

freche_feen

Ist Euch Malefiz ein Begriff? Die dunkle Fee aus „Dornröschen“? Ihr seht sie rechts im Bild. Ihre schwarze Kleidung und die Hörner verraten sie:

malefiz

Links im Bild hat sich übrigens das Ämmale in dezentem Braun verewigt.

Den Nachmittag nutzten wir für einen ausgedehnten Waldspaziergang, der M. und mir dabei half, unsere Köpfe frei zu pusten, während die Kinder sich darum stritten, wer die schöneren Blätter gesammelt hat.

20161009_160903

Begrenzte Lebenszeit. Nicht verschwenden.

6 Kommentare

  1. Lotti

    Liebe Mary,

    ganz genau so ist damals das erste Kleid für mein Zicklein entstanden. Wobei ich mir einfach ein T-Shirt geschnappt und es Pi x Daumen zum Kleid verlängert habe 😀 Ich finde, das Kleid ist ganz wunderbar geworden und super für den Herbst! Nach Vorlage kann ja jeder 😉

    Ganz liebe Grüße
    Lotti

    • Federfarbenfee

      Liebe Lotti, ja, bei dieser Vorgehensweise hat man auf jeden Fall ein Unikat und man weiß, dass es passt. Und ich bin halt auch meist viel zu faul und ungeduldig für komplizierte Schnittmuster. Danke für dein liebes Kompliment und herzliche Grüße zurück! <3 :-)

  2. Malmuse

    Liebe Mary,
    na das nenne ich mal eine gelungene Nähaktion…probieren geht über studieren. Alle Achtung für einen Laien ein hübsches Kleidchen. Würde mir niemals in den Sinn kommen zu nähen…da male ich mir lieber was 😉
    lg
    Malmuse

    • Federfarbenfee

      Liebe Malmuse,
      alle paar Jahre packt es mich doch und ich schustere mal schnell einen Kuschelpulli, Rock o.ä. zurecht. Also, rudimentäre Grundkenntnisse sind schon vorhanden. Aber es passt nicht zu meinem Naturell, penibel unendlich viele Nähte festzustecken, Schnittmuster abzupausen und zu übertragen etc. Das ist mir zu aufwendig und ich bin dafür nicht akkurat genug. Außerdem würde mich das in kreativer Hinsicht eher ausbremsen. Aber ich muss zugeben, dass ich es schon verlockend finde, gerade für die Kinder schnell und günstig individuelle Kleidungsstücke zu fertigen. Doch ich zügle mich da. Denn meine wahren Talente liegen woanders und ich möchte mich nicht verzetteln. Was für dich das Malen ist, ist für mich das Schreiben. 🙂 Darüber hatten wir uns ja schon mal ausgetauscht. 🙂

      Ganz herzliche Grüße zurück an dich! Mary

  3. Vanessa

    Hallo Mary!
    Dafür das du ein Nählaie bist, ist das Kleid ist echt super geworden! Hut ab! Das bekommt nicht jede auf Anhieb so ganz ohne Anleitung/Schnittmuster hin. Gefällt mir! LG Vanessa

    • Federfarbenfee

      Liebe Vanessa,

      danke für das liebe Kompliment! 🙂 Naja, ein bisschen windschief ist es schon, aber ein Unikat, schön warm und meine Große liebt es. Wenn der Tag mehr Stunden hätte, würde ich meine Nähkenntnisse auch unheimlich gerne vertiefen. Aber alles geht leider nicht. Kennst du ja sicherlich auch. Ich werde aber zukünftig öfter bei dir reinschauen und mir Inspirationen holen. Deine Nähprojekte gefallen mir sehr!

      LG von Mary

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